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Taktile Wahrnehmung und Haptik

Nach Loomis und Lederman (1986) sind Berührungsempfindungen (tactual perceptions) Voraussetzung für nahezu alle motorischen Aktivitäten, zur Wahrnehmung von Gegenständen und räumlichen Anordnungen bei eingeschränkter Sicht und zur Indentifikation von Materialien und anderen Oberflächeneigenschaften (wie Temperatur, Nachgiebigkeit usw.). Man unterscheidet kutane und kinästhetische Empfindungen (siehe unten). Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Berührungen.

Berührungsempfindungen werden nicht immer als aus dem Körper stammend wahrgenommen: Überprüft man die Beschaffenheit einer Oberfläche mit einem Stift, so werden dessen Vibrationen als zur Oberfläche gehörig empfunden (externalization of experience). Werden der Gesichtssinn und der Berührungssinn gleichzeitig eingesetzt, dominiert meist der Gesichtssinn. Neben der kognitiven Belastung und der Aufmerksamkeit bestimmen vor allem die räumliche und zeitliche Empfindlichkeit des Berührungssinns dessen Grenzen. Eine optimale Informationsübertragung über die Haut ist deshalb in diesem Grenzbereich der räumlichen und zeitlichen Grenzen der Empfindlichkeit möglich.

Haptische Wahrnehmung umfaßt alle Aspekte der Berührung unter Verwendung der Hände. Die große Bedeutung haptischer Information läßt sich praktische am besten erkennen, wenn sie fehlt: Bei großer Kälte wird das haptische System sehr unempfindlich und dementsprechend fallen präzise Manipulationen dann auch sehr schwer.

Bei der Wahrnehmung der Umwelt durch den Berührungssinn lassen sich in zwei Mechanismen unterscheiden: Kinästhetische Reize informieren über den inneren Zustand eines Körperteils durch Parameter wie Winkel des Gelenks oder Muskelanspannung. Kinästhetische Empfindungen werden über afferente Informationen aus den Muskeln, Gelenken usw. sowie die efferente Kopie aus dem Kleinhirn ausgelöst. Taktile Reize werden dagegen direkt von Sensoren in der Haut vermittelt und informieren über Druck, Temperatur, Schmerz oder Vibrationen. Die vier wichtigsten Arten können anhand der Größe ihres rezeptiven Feldes und ihrer Adaptationsgeschwindigkeit klassifiziert werden (langsam adaptierende Rezeptoren liefern Information über die Gestalt einer ertasteten Oberfläche).

Aus funktionaler Sicht kann man auch zwischen aktiven und passiven Berührungen unterscheiden. Kaczmarek und Bach-y-Rita (1995) stellen eine etwas genauere Unterteilung haptischer Wahrnehmungen vor: Dabei ergibt sich empirisch (siehe Kaczmarek & Bach-y-Rita, 1995), daß die Unterscheidbarkeit einfacher Muster kaum von den genannten Unterschieden abhängt, wenn die räumliche Genauigkeit nicht untersucht wird. Ist aber eine sehr genaue räumliche Unterscheidung notwendig, dann sind die bewegten Varianten überlegen, unabhängig, ob diese Bewegungen kontrolliert werden können oder nicht.

Eine ``holistische'' Sichtweise der Berührungen (siehe Pawluk, 1997, und Abschnitt 6.4) betrachtet nicht nur diese verschiedenen Rezeptoren, sondern folgende fundamentalen Komponenten:

James J. Gibson vertritt eine eher funktionale Sicht der Wahrnehmung: Er betrachtet perzeptuelle Systeme als hierarchisch organisierte Organe, die bei Anwesenheit bestimmter Informationen aktiv werden. An der visuellen Wahrnehmung sind beispielsweise nicht nur die Augen beteiligt, sondern auch Kopf- und Körperbewegungen, so daß das gesamte visuelle System bestimmte Strukturen erkennen kann. Die Wahrnehmung ist damit ein grundsätzlich aktiver Prozeß zur Bestimmung von Invarianzen (oder Regelmäßigkeiten) in den wahrgenommenen Reaktionen der Umwelt auf unsere Aktionen. Die von Lederman und Klatzky (1997) beschriebenen explorativen Prozeduren sind hierfür ein gutes Beispiel (siehe Abschnitt 6.1).




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Last modified 10-29-98